Der europäische Binnenmarkt erleichtert den Marktzugang zu unseren europäischen Nachbarn erheblich. Bedingt durch die Nähe zu den Niederlanden und Belgien werden niederrheinische Handwerksbetriebe immer häufiger auch für ausländische Kunden beziehungsweise im Ausland tätig.

Trotz erleichtertem Zugang bestehen rechtliche und steuerliche Unsicherheiten beim Tätigwerden im Ausland. Lokale Regelungen und Vorschriften können von den deutschen bekannten Grundsätzen abweichen. Und nicht zuletzt stellt sich die Frage: Was ist bei der Rechnungsstellung zu beachten – mit oder ohne Umsatzsteuer, oder sogar mit ausländischer Umsatzsteuer?

Der Ort der Leistung

Entscheidend für die umsatzsteuerliche Behandlung ist die Frage, an welchem Ort der Unternehmer seine Leistung erbringt (Deutschland vs. Ausland). Dies muss nicht zwingend der tatsächliche physische Tätigkeitsort sein. Das Umsatzsteuerrecht enthält verschiedene Regelungen zur Bestimmung des Ortes der Leistung. Befindet sich der Ort in Deutschland, ist in vielen Fällen die deutsche Umsatzsteuer mit dem Regelsteuersatz von 19 Prozent in Rechnung zu stellen. Liegt der Ort der Leistung dagegen im Ausland, gibt es zwei wesentliche Optionen: Die Steuerschuld kann auf den Leistungsempfänger verlagert werden (sogenanntes Reverse-Charge-Verfahren). In diesem Fall muss gar keine Umsatzsteuer in Rechnung gestellt werden, die Versteuerung erfolgt durch den Leistungsempfänger. Kommt eine solche Regelung nicht zur Anwendung, muss sich der deutsche Unternehmer im Ausland steuerlich registrieren. Dann sind in der Rechnung die ausländische Umsatzsteuer auszuweisen, diese ist bei der ausländischen Finanzbehörde anzumelden und abzuführen und es sind gegebenenfalls weitere ausländische Pflichten zu beachten. Die Registrierung im Ausland ist je nach EU-Land unterschiedlich durchzuführen. In den Niederlanden können die Registrierung und die Steueranmeldung größtenteils online und in deutscher Sprache erfolgen. Alternativ sollte ein ausländischer Steuerberater unterstützen.

Welche Leistung wird erbracht?

Handwerksbetriebe werden üblicherweise im Rahmen eines Werkvertrages tätig. Dabei ist zu unterscheiden, ob der Unternehmer eine sogenannte Werklieferung oder eine Werkleistung erbringt. Bei einer Werklieferung beschafft der Unternehmer die zu verarbeitenden Stoffe selbst; beispielsweise ein Zimmerer, der einen Dachstuhl für eine niederländische Immobilie errichtet und die Materialien hierfür selbst beschafft. Davon abzugrenzen sind reine Warenlieferungen, beispielsweise die reine Versendung von Handelswaren ohne weitergehenden Service durch den Betrieb. Werden dagegen keine Hauptstoffe verwendet oder durch den Unternehmer selbst beschafft, handelt es sich um eine Werkleistung (Beispiel: ein Installateur führt eine Heizungswartung in den Niederlanden aus). Diese Abgrenzungen sind für die umsatzsteuerliche Behandlung von entscheidender Bedeutung, aufgrund der Komplexität heutiger Handwerksleistungen aber in der Praxis nicht immer leicht zu treffen.

B2B – der Kunde ist ein Unternehmer

Bei Werkleistungen kommt das oben genannte Reverse-Charge-Verfahren zur Anwendung, wenn der Kunde ein Unternehmer ist, der in seinem Land umsatzsteuerlich registriert ist. Davon kann ausgegangen werden, wenn der Kunde eine Umsatzsteuer-Identifikationsnummer besitzt. Wichtig: Diese USt-ID-Nummer muss auf Gültigkeit überprüft werden, ansonsten trägt der Handwerks-betrieb das steuerliche Risiko, sollte der Kunde falsche Angaben gemacht haben. Der Ort der Leistung wird unabhängig vom tatsächlichen Tätigkeitsort an den Sitz des Kunden fingiert, somit ins Ausland. Aufgrund des Reverse-Charge-Verfahrens schuldet der Kunde die Umsatzsteuer. Der deutsche Betrieb stellt keine Umsatzsteuer in Rechnung und muss sich auch nicht im Ausland registrieren lassen. Diese Regelung gilt dank des harmonisierten Binnenmarktes und der EU-weit gültigen Mehrwertsteuersystemrichtlinie in der ganzen EU.

Eine Werklieferung wird in der Regel dort erbracht, wo das fertige Werk dem Kunden übergeben wird. In dem zuvor genannten Beispiel des Zimmerers ist dies der Ort der Immobilie, also im Ausland. Dies gilt bei vielen handwerklichen Arbeiten an ausländischen Immobilien (Badrenovierung, Erneuerung elektrischer Leitungen und so weiter). In diesen Fällen greift das Reverse-Charge-Verfahren nicht. Der Handwerksbetrieb muss sich im Ausland steuerlich registrieren und in der Rechnung ausländische Umsatzsteuer ausweisen, die an das ausländische Finanzamt abzuführen ist. Wird ein Betrieb nur gelegentlich und in geringem Umfang auf diese Weise im Ausland tätig, kann gegebenenfalls noch eine ausländische Kleinunternehmerregelung helfen. Diese ist allerdings in den einzelnen Staaten verschieden ausgestaltet. In den Niederlanden gibt es beispielsweise seit dem 1. Januar 2020 eine Grenze von 20.000 Euro. Liegen die Umsätze pro Jahr unter diesem Wert, kann die Kleinunternehmerregelung in Anspruch genommen und muss keine Umsatzsteuer in Rechnung gestellt werden. In die Rechnung ist ein Hinweis auf die Kleinunternehmerregelung aufzunehmen. Allerdings ist dann die mit diesen Umsätzen zusammenhängende Vorsteuer nicht abzugsfähig.

Privatpersonen als Kunden

Handelt es sich bei dem Kunden um eine Privatperson, richtet sich der Ort der Werkleistung nach den speziellen Regelungen des § 3a UStG. Hängt die Leistung mit einem Grundstück zusammen, beispielsweise Bauleistung im Rahmen der Errichtung oder Sanierung einer ausländischen Immobilie, ist der Ort der Leistung am Ort der Immobilie und damit im Ausland. Auch in diesen Fällen greift das Reverse-Charge-Verfahren nicht, das heißt der deutsche Unternehmer muss ausländische Umsatzsteuer in Rechnung stellen, sofern keine Kleinunternehmerregelung genutzt werden kann. Werden Arbeiten an beweglichen Gegenständen ausgeübt, zum Beispiel an einem Boot im Roermonder Hafen, liegt der Ort ebenfalls im Ausland.

Bei Werklieferungen an Privatpersonen gelten die oben genannten Grundsätze für Werklieferungen an Unternehmer. Bei reinen Lieferungen (Versand an oder Abholung durch den Kunden) ist allerdings wieder zu unterscheiden: Lieferungen an Unternehmer im Ausland sind in der Regel steuerfrei, die Rechnung ist ohne Umsatzsteuer zu stellen, die USt-ID-Nummer des Kunden muss auf der Rechnung aufgeführt werden. Bei Lieferungen an Privatpersonen ist dagegen im Regelfall deutsche Umsatzsteuer in Rechnung zu stellen.

Fazit

Werden Handwerker im Ausland tätig, kann die umsatzsteuerliche Beurteilung sehr komplex sein. Es empfiehlt sich, die umsatzsteuerliche Würdigung bereits vor der Angebotserstellung vor-zunehmen. Stellt sich die Beurteilung im Rahmen einer späteren Prüfung durch das Finanzamt als falsch heraus, trägt das Risiko der Handwerksbetrieb und kann es zu empfindlichen Steuernachzahlungen sowie Zinsen hierauf kommen. So wird aus einem lukrativen Auftrag schnell ein herbes Verlustgeschäft. Handwerker mit umfangreichen Auslandsaktivitäten sollten zudem ertragsteuerliche Konsequenzen mit ihrem steuerlichen Berater besprechen (zum Beispiel Begründung einer Baubetriebsstätte im Ausland).

Eine typische Leistung unserer Steuerberatung beim Thema Internationales Steuerrecht.

Dipl.-Wi.jur (FH) Markus Coletti
Wirtschaftsprüfer, Steuerberater
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