Deutsche Betriebe, die Werklieferungen an Kunden im europäischen Ausland erbringen, sollten sich im Vorfeld unbedingt über die umsatzsteuerliche Behandlung ihrer Leistung informieren. Gleiches gilt beim Bezug zum Beispiel von Maschinen aus einem anderen EU-Land, die vom Lieferanten dann hier vor Ort aufgebaut und in Betrieb genommen werden.

Die europäischen Grundfreiheiten gewährleisten einen unkomplizierten und zollfreien Warenverkehr innerhalb der EU, und grundsätzlich dürfen deutsche Betriebe unbeschränkt im europäischen Ausland tätig werden. Gleichwohl sind die formalen Anforderungen im europäischen Warenverkehr nicht zu  unterschätzen. Bei Verstößen oder falschen Beurteilungen kann die Steuerfreiheit beziehungsweise umsatzsteuerliche Neutralität durch das Finanzamt versagt werden.

Neue Regelung zur Werklieferung im Umsatzsteuerrecht

Werkverträge im umgangssprachlichen Sinn finden ihre rechtliche Grundlage im „Werkvertrag“ (§ 631 BGB) beziehungsweise im „Werklieferungsvertrag“ (§  650 BGB). Umsatzsteuerlich handelt es sich um eine Werklieferung, wenn der Unternehmer die Be- oder Verarbeitung eines Gegenstandes übernimmt und  hierbei überwiegend Stoffe verwendet, die er selbst beschafft. Dabei dürfen diese Stoffe keine reine Nebenleistung sein. So gilt die Beauftragung des bei einer Tischlerei  nach Kundenvorgaben gefertigten Möbelstücks als Werklieferung. In Zweifelsfällen gilt: Beträgt der Materialkostenanteil mehr als 50 Prozent des Gesamtentgelts,  handelt es sich um eine Werklieferung.

Für den Bereich der Bauleistungen hatte der Bundesfinanzhof bereits im Jahr 2013 diese Definition eingeschränkt: Danach liegt eine Werklieferung nur vor,  wenn nicht nur selbst beschaffte Hauptstoffe verwendet werden, sondern dabei zudem ein fremder Gegenstand be- oder verarbeitet wird. Ein Bauträger, der ein  Gebäude auf eigenem Grundstück errichtet, erbringt demnach keine Werklieferung. Ein Generalunternehmer, der auf einem fremden Grundstück baut, erbringt  eine Werklieferung. Dieser Definition hat sich das Bundesfinanzministerium nun nach sieben Jahren angeschlossen – ohne Einschränkung auf Bauleistungen.

Grenzüberschreitende Werklieferungen

Aufgrund dieser geänderten Sichtweise des BMF handelt es sich bei der zuvor genannten Lieferung des individuell angefertigten Möbelstücks „nur“ noch um eine Lieferung, nicht mehr um eine Werklieferung. Dies ist für die umsatzsteuerliche Behandlung von großer Bedeutung und hat für deutsche Betriebe vor allem Relevanz auf der Beschaffungsseite. Wird beispielsweise eine Maschine von einem niederländischen Unternehmer geliefert und von diesem im deutschen Betrieb aufgebaut und in Betrieb genommen, handelt es sich aufgrund der fehlenden Verarbeitung eines fremden Gegenstands nicht um eine Werklieferung,  sondern um eine (Montage-)Lieferung. Der niederländische Unternehmer muss sich in Deutschland umsatzsteuerlich registrieren und deutsche Umsatzsteuer  in Rechnung stellen, da das Reverse Charge Verfahren nach § 13b UStG nur für Werklieferungen gilt. Für den empfangenden Betrieb ist es wichtig, dass der  niederländische Unternehmer eine ordnungsmäßige, den deutschen Anforderungen entsprechende Rechnung erteilt, da er ansonsten keinen Vorsteuerabzug  hat. In jedem Fall sollten sich beide Parteien schon im Vorfeld über die richtige umsatzsteuerliche Behandlung im Klaren sein und gegebenenfalls vertragliche  Regelungen treffen, falls das Finanzamt später eine andere Auffassung vertritt.

Die Abgrenzung kann sich in der Praxis schwierig gestalten. Wäre die Maschine in dem oben genannten Beispiel bereits im niederländischen Werk einsatzfähig, würde lediglich zu Transportzwecken zerlegt und im deutschen Betrieb wiederaufgebaut, läge der Leistungsort nicht in Deutschland. Es liegt dann eine  „normale“ innergemeinschaftliche Lieferung vor, die grundsätzlich steuerfrei abgerechnet wird. In Deutschland ist sie als innergemeinschaftlicher Erwerb zu  versteuern mit spiegelbildlichem Vorsteuerabzug, im Ergebnis also steuerneutral.

Deutsche Betriebe, die derartige Lieferungen an europäischen Kunden erbringen, sollten sich im Vorfeld unbedingt über die gegebenenfalls im Ausland  abweichende umsatzsteuerliche Behandlung ihrer Leistung informieren.

Neue Anforderungen bei innergemeinschaftlichen Lieferungen

Bereits mit Wirkung zum 01.01.2020 hat der Gesetzgeber die rechtlichen Voraussetzungen für das Vorliegen einer innergemeinschaftlichen Lieferung sowie  deren Steuerfreiheit geändert. Die Umsatzsteueridentifikationsnummer (USt-IdNr.) des Empfängers sowie die Deklaration der Lieferung in der  zusammenfassenden Meldung sind nun materielle Voraussetzungen für die Steuerfreiheit. Liegt zum Zeitpunkt der Lieferung keine USt-IdNr. vor, darf keine  steuerfreie Rechnung erteilt werden. Versichert beziehungsweise weist der Empfänger nach, dass er bereits eine USt-IdNr. beantragt hat, diese aber durch die  lokale Finanzbehörde noch nicht erteilt wurde, genügt dies nicht, da im Zeitpunkt der Lieferung eben (noch) keine USt-IdNr. vorliegt. Es ist dann deutsche  Umsatzsteuer in Rechnung zu stellen.

Wichtig: Der liefernde Betrieb muss prüfen, ob die mitgeteilte USt-IdNr. des Empfängers gültig ist. Ansonsten verliert er gegebenenfalls den Anspruch,  steuerfrei zu liefern, und muss bei Pflichtverletzung die Umsatzsteuer nachzahlen. Die Abfrage erfolgt gemäß § 18e UStG beim Bundeszentralamt für Steuern  (www.bzst. de, „Bestätigung ausländischer UStIdNrn“) und sollte in engem zeitlichen Zusammenhang mit der Lieferung erfolgen. Wie weit die Zeitspanne zur  Einholung einer weiteren Bestätigung dauern kann, hängt vom Einzelfall ab. Bei neuen Geschäftsbeziehungen oder bei hohen Umsätzen dürften die  Sorgfaltsanforderungen höher und eine qualifizierte Abfrage verpflichtend sein. Tägliche Abfragen sind aber nicht erforderlich.

Unternehmen, die steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen erbringen, müssen diese in der zusammenfassenden Meldung (ZM) deklarieren. Wird diese  ZM nicht richtig, vollständig oder fristgerecht abgebeben, sind die Voraussetzungen für die Steuerfreiheit nicht erfüllt. Es ist daher umso wichtiger, die ZM sach-  und zeitgerecht zu erstellen und bei erkannten Fehlern die ZM ebenfalls umgehend zu berichtigen.

Sind die Voraussetzungen für die Steuerfreiheit nicht erfüllt, bleibt im Zweifel der leistende Unternehmer auf der Umsatzsteuer „sitzen“.